Dr. jur. IVAR LISSNER

 

Das Projekt Ivar Lissner

Mit Erscheinen der 1970 posthum veröffentlichten fragmentarischen Erinnerungen Ivar Lissners, entstand eine Kontroverse über sein Leben während der NS-Diktatur. Ivar Lissner selbst stellte sich in seinen Memoiren als NS-Gegner und Widerstandskämpfer vor. Durch seine Tätigkeit für die Abwehr habe er seiner Familie die Flucht aus Deutschland ermöglicht. Von seiner jüdischen Herkunft und der deshalb erfolgten Verfolgung seiner Familie erfuhr der Leser jedoch kein Wort.

Dieser Selbstdarstellung Lissners widersprach 1970 der Journalist und Historiker Heinz Höhne vehement, zunächst im Rahmen eines am 14.12.1970 erschienenen Spiegel-Artikels und noch ausführlicher als Autor und Bearbeiter der 1975 erschienenen zweiten Auflage der Lissner-Memoiren. Laut Höhne sei Lissner in Wirklichkeit zunächst ein überzeugter Nationalsozialist gewesen, bis er 1937 durch die Verhaftung seines Vaters vom „Familiengeheimnis“ – seiner jüdischen Herkunft – erfahren habe. Danach habe er sich zwar vom Nationalsozialismus abgewandt, sich aber gleichzeitig noch immer „ein Stück Hitler-treuer Gläubigkeit“ erhalten. Die von  Lissner behauptete Tätigkeit für den NS-Widerstand sei laut Höhne tatsächlich nichts anderes als die späte Legende eines NS-Mitläufers gewesen.

Obwohl Heinz Höhne für seine Darstellung fast gar keine Quellen angab, wurde sie von einer Vielzahl von Historikern ungeprüft übernommen. Eine kritische Analyse von Höhnes Arbeit zu Ivar Lissner existiert bis heute nicht. Tatsächlich halten seine Vorwürfe einer genauen Betrachtung nicht stand. Dies zeigen die Ergebnisse mehrjähriger Forschung in internationalen Archiven und die Auswertung des Nachlasses Ivar Lissners. Der nachfolgende Text ermöglicht einen ersten Einblick in die Untersuchungsergebnisse:

Der nachfolgende Text ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. © www.ivar-lissner.eu, 2016

Der angebliche „Schulfreund“ Lissners: „Hauptmann Werner Schulz“

Ein Konstrukt des Journalisten und Historikers Heinz Höhne?

Heinz Höhne gelang es in seinem Nachwort zu den Memoiren Lissners, unwidersprochen die falsche Behauptung aufzustellen, Ivar Lissner habe nichts von seiner jüdischen Herkunft gewusst. Er sei infolgedessen ein überzeugter Nationalsozialist gewesen. Auch im weiteren Verlauf seines Nachwortes spinnt Höhne an dieser Story des jüdischen Nationalsozialisten Lissner. Fakten scheinen hierbei nicht zu interessieren. So widerspricht der von Höhne mit wörtlichen Zitaten belegte Ablauf der Rekrutierung Lissners für die Abwehr allen verfügbaren Originalquellen. Der „Kronzeuge“ Höhnes, der „Schulfreund“ Lissners, „Hauptmann Werner Schulz“ kann, wie die nachfolgenden Quellen eindeutig zeigen, trotz wörtlicher Zitate nicht existiert haben.

Nur mit Hilfe dieser scheinbar fiktiven Person gelingt es Heinz Höhne, aus dem eigentlich Verfolgten und Widerstandskämpfer Ivar Lissner den überzeugten Nazipropagandisten für „Angriff“ und „VB“ zu kreieren. Im Folgenden wird das Konstrukt Höhnes, der „Hauptmann Werner Schulz“, mit den Fakten konfrontiert:

Heinz Höhne bestreitet in seinem Nachwort, dass Ivar Lissner bereits seit 1938 – also in Folge der ersten Verhaftung seines Vaters Anfang 1937 – für die Abwehr tätig wurde.[1] Er sei somit nicht „getarnt als Korrespondent“ nach Ostasien gereist, sondern habe aus eigenem Antrieb, mit Begeisterung und natürlich unerschütterlicher NS-Überzeugung für den „Angriff“ und später auch für den „VB“ Artikel verfasst. Erst dann sei ihm durch einen „Schulfreund Werner Schulz“ der Eintritt in die Abwehr gelungen. Diese habe dann die Ausreise Robert und Charlotte Lissners nach Shanghai ermöglicht.

Auf welch tönernen Füßen sein Konstrukt stand, scheint auch Heinz Höhne bewusst gewesen zu sein. Dies zeigt die Akribie, mit der er bei seiner „schöpferischen Tätigkeit“ vorging. Die erste, wesentliche Frage, wie es denn Ivar Lissner ohne Mitwirkung der Abwehr gelungen sein sollte, ohne Mitgliedschaft in der Pflichtorganisation Reichspressekammer „»ständiger Fernost-Berichterstatter« von »Völkischem Beobachter« und »Angriff«“, laut Höhne „so etwas wie ein Japan-Beauftragter der Parteipresse“[2] zu werden, wird von Höhne ganz simpel beantwortet: Kommentarlose Streichung aller diesbezüglichen Passagen und gegenteiliger Beteuerungen Ivar Lissners aus dessen Memoiren.[3] Begründungen, Hinweise auf die vorgenommenen Streichungen oder Quellen von Heinz Höhne sucht man jedoch vergebens. Nun mag man vielleicht die Auffassung vertreten, Heinz Höhne hätten dennoch Belege für eine Mitgliedschaft Ivar Lissners in der Reichspressekammer vorgelegen. Dies ist jedoch nicht möglich! Ein wie von Ivar Lissner in seinen Memoiren beschriebenes Publikationsverbot hätte im offiziellen Bulletin der Reichspressekammer „Deutsche Presse“ veröffentlicht werden müssen. Lissner selbst schreibt:

„Er [Botschafter Eugen Ott] nahm eine Zeitschrift aus einer Schublade, schlug sie auf und deutete auf eine große Anzeige. Er befahl mir, sie zu lesen. Da stand mein Name, in fetten Buchstaben gedruckt, und eine Verordnung des Inhalts, daß es deutschen Zeitungen und Verlagen von nun an verboten sei, irgend etwas zu drucken, was aus meiner Feder stammte. Es war unterzeichnet mit »Präsident der Reichspressekammer«.“[4]

Lissner nie Mitglied der Reichspressekammer ...

Die hier beschriebene „Anzeige“ entspricht einer sog. „Warnung“. Diese wurden in der „Deutschen Presse“ publiziert, wenn sich Journalisten ohne die verpflichtende Mitgliedschaft in der Reichspressekammer illegal betätigten.[5] Auch Eintritte in die Reichspressekammer oder Ausschlüsse („Löschungen“) wurden an dieser Stelle unter dem Punkt „Bekanntmachungen – Mitgliederbewegungen“ publiziert.[6] Es hätte somit für Höhne ein Leichtes sein müssen, Ivar Lissners Version zu überprüfen. Dies scheint er jedoch nicht getan zu haben. Vielleicht hätte ihm aber auch das Ergebnis nicht gefallen. Wäre Lissner tatsächlich Mitglied der RPK gewesen und somit nicht – wie er selbst berichtete – nur zur Tarnung seiner Agententätigkeit als Korrespondent aufgetreten, hätte er bei Bekanntwerden seiner jüdischen Herkunft im September 1939 aus der RPK ausgeschlossen werden müssen. Tatsächlich erfolgte jedoch nur ein Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer (RSK).[7] Ein Ausschluss Lissners aus der RPK ist in der „Deutschen Presse“ nicht zu finden! Gemäß § 11 des Schriftleitergesetzes vom 4. Oktober 1933 hätte dieser jedoch bei Bekanntwerden von Lissners „nichtarischer“ Herkunft unverzüglich erfolgen müssen.[8] Wie die nachfolgenden Quellen verdeutlichen, war Ivar Lissner niemals Mitglied der RPK.

Eine „Warnung“ vor Ivar Lissner in der von ihm beschriebenen Art hat zwar nie existiert. Dennoch hat Lissner in Bezug auf seine Mitgliedschaft in der RPK nicht gelogen! Die tatsächlich publizierte „Warnung“ hatte nur eine etwas anderen Charakter. Ursächlich für die leicht abgewandelte Darstellung Lissners war folgender Grund: In seinen gesamten Erinnerungen verschweigt er dem Leser konsequent die eigentliche Ursache seiner Verfolgung – seine jüdische Herkunft. Daher musste er an dieser Stelle die tatsächlichen Abläufe sinngemäß abändern.

Die erfolgte „Warnung“ vor dem Juden Lissner war tatsächlich die Ablehnung eines Erstantrages für die Aufnahme in die RPK. Am 26. Oktober 1940 erschien in der „Deutschen Presse“ folgender Text: „Ablehnung: Landesverband Berlin: Dr. Ivar Lissner, Tokyo, Sanno Hotel (§ 5, 3).“ Der § 5 (3) des Schriftleitergesetzes lautete: „Schriftleiter kann nur sein, wer: […] arischer Abstammung ist und nicht mit einer Person von nichtarischer Abstammung verheiratet ist.“ Auf diese Weise wurde Ivar Lissners jüdische Herkunft erst recht öffentlich. Eine schlimmere „Warnung“ hätte es nicht geben können!

Durch das Verbot des Weitervertriebes seiner Bücher und die Ablehnung eines noch in Arbeit befindlichen Werkes, waren Lissner erhebliche Teile seiner Einkünfte weggefallen.[9] Scheinbar hatte er daraufhin auf gut Glück einen Antrag für die RPK gestellt. Möglicherweise versuchte er in Japan bei deutschen Zeitungen oder Korrespondentenbüros tätig zu werden. Diese mussten, wie jede Zeitung, vor Arbeitsantritt eines Schriftleiters (Journalisten) seine Mitgliedschaft in der RPK prüfen. Versäumten sie dies, konnte ihnen neben einer Geld- oder Gefängnisstrafe in letzter Konsequenz sogar die Zulassung entzogen werden.[10] Der Leiter des Landesverbandes war verpflichtet, die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen.[11] Vermutlich erhoffte sich Lissner auch die Unterstützung seines Antrages durch die Abwehr. Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, hätte auf Antrag eine Ausnahme vom § 5 (3) bewilligen können.[12]

Berichterstattung für Zeitungen als Tarnung der Agententätigkeit ...

Dies geschah jedoch nicht. Einem Juden eine Publikationserlaubnis zu verschaffen, war scheinbar selbst der Abwehr zu heikel. Erst nachdem Lissner im August 1941 auf Veranlassung der Abwehr in Teilen „arischen“ Deutschen gleichgestellt worden war, hatte zumindest die Reichsschriftumskammer keine weiteren Bedenken gegen seine Mitgliedschaft.[13] Im August 1942 ersuchte Lissner erneut um Unterstützung. Zur Tarnung seiner Tätigkeit bat er die Abwehr, mit dem „Angriff“ und der Reichspressekammer die Wiederaufnahme seiner „Sonderberichterstattung“ zu verhandeln. So schrieb er:

„Um auch für weitere Zukunft absolute Sicherheit zu schaffen, erbitte ich nun mit Hauptschriftleitung Angriff und Reichspressekammer sofortige Wiederaufnahme Sonderberichterstattung zu besprechen. Pressetätigkeit wird unser Arbeitsgebiet nicht im Geringsten beeinträchtigen. Trotz allerbester Beziehungen und vollem Vertrauen bei den Japanern ist ständiger Aufenthalt Mandschukuo sonst unmöglich.“[14]

Der Gesandte Wagner in Hsinking sprang ihm unverzüglich bei und telegrafierte nach Berlin:

„Wiederaufnahme Zeitungsberichterstattung hätte den großen Vorteil, dass L. neben der besseren Tarnung dann eher unverfänglich als Journalist hierher kommen könnte, was jetzt wegen mandschurischer Reisebeschränkung für gewöhnliche Ausländer nur schwer möglich ist, aber persönliche Fühlungaufnahme erleichtern würde.“[15]

Tatsächliche Sachverhalte von Heinz Höhne verschleiert ...

Dieser gesamte Sachverhalt wird von Heinz Höhne durch die Streichung aller diesbezüglichen Passagen und gegenteiliger Beteuerungen Ivar Lissners aus dessen Memoiren und seine eigene mangelhafte Recherche verschleiert. Bevor anhand von Zitaten gezeigt wird, welche Handlungsmotive und Überzeugungen Ivar Lissner von Heinz Höhne stattdessen unterstellt werden, wird zunächst auf das eigentliche Konstrukt Höhnes „Werner Schulz“ eingegangen. Mithilfe dieser Figur zementiert Höhne seine Darstellung: Der zufolge sei Ivar Lissner erst im Juni 1940 von der Abwehr rekrutiert worden. Seine Korrespondententätigkeit sei somit keine Tarnung, sondern tatsächlich ein „Traumjob“ Lissners gewesen. Höhne gibt in seinem Nachwort in Bezug auf seinen „Kronzeugen“ folgendes preis:

„Ein Schulfreund Lissners, der reaktivierte Luftwaffen-Hauptmann Werner Schulz, Mitarbeiter in der Abwehr-Zentrale, wurde beauftragt, Lissner für den Dienst zu gewinnen.“[16]

„Da tauchte am 5. Juni 1940 in Shanghai ein Retter auf: Hauptmann Schulz, Lissners Schulfreund. Er war von der Abwehr-Zentrale mit dem Auftrag entsandt worden, im Fernen Osten ein Informantennetz (im Sprachgebrauch der Abwehr KO oder Kriegsorganisation genannt) anzulegen.“[17]

„Dem sollte Hauptmann Schulz abhelfen - durch Gründung einer »KO China«.“[18]

„Bei der Suche nach Agenten, V-Männern und Kurieren stieß Schulz auch auf Lissner. Der aber wußte noch immer nicht, ob er sich der Abwehr vollends verschreiben sollte. Zunächst bot er Schulz nur an, er wolle sich zum Wehrdienst melden. Schulz schrieb nicht ohne Ungeduld zurück: »Hast du nichts anderes zu tun?« Ende Juni reiste er nach Harbin und sprach sich mit Lissner aus. Die beiden Männer wurden sich einig: Lissner sollte unter dem Decknamen »Ivar« in den Dienst der Abwehr treten und Nachrichten über Sowjet-Fernost, vor allem über die sowjetische Luftrüstung, beschaffen. Deshalb wurde er auch dem Ostreferat der Luftwaffengruppe des Geheimen Meldedienstes (Abwehr I Luft/Ost) unterstellt, dessen Leitung Schulz nach seiner Rückkehr selber übernahm.“[19]

„Als Lissner-Freund Schulz im Herbst 1941 nach Vorderasien entsandt und ein strammer Nationalsozialist sein Nachfolger im Referat I Luft/Ost wurde, bat er seinen Kameraden vom I Luft/West, den späteren Oberst Friedrich Busch, die Führung Lissners mit zu übernehmen. Schulz befürchtete, der NS-Nachfolger könne den »Halbjuden« Lissner nicht richtig behandeln. Von nun an unterstand V-Mann Ivar dem an sich ressortfremden Busch.“[20]

Ein "Kronzeuge" Höhnes der so nie existierte ...

Anhand einer intensiven Recherche in den britischen National Archives konnte ermittelt werden, dass der besagte Schulfreund Lissners „Werner Schulz“, den Heinz Höhne sogar wörtlich zitieren kann, nie existiert hat. Vielmehr scheint es sich um eine aus zwei Biografien real existierender Personen konstruierte Kunstfigur zu handeln:

So war „Hauptmann Werner Schulz“ tatsächlich nie, wie Heinz Höhne behauptet, Leiter des Referats Abwehr I Luft/Ost. Diese Position hatte im Jahr 1940 der Jurist Dr. Julius Berthold Schultze (Schulze) inne.

Schultze wurde am 31.10.1894 in Wetzlar geboren. Er besuchte dort ein halbes Jahr die Schule und wechselte dann auf die bekannte Thomasschule in Leipzig. Nach dem Abitur studierte er zwischen 1914 und 1920 an den Universitäten Freiburg, Marburg und Leipzig. Im Jahr 1921 promovierte er an der Universität in Leipzig in Rechtswissenschaften. 1924 wurde er Pflichtverteidiger am 4. Strafsenat und verteidigte dort russische Spione sowie Deutsche, die für die Franzosen arbeiteten. Sein letzter Fall fand am 14.03.1939 statt. Im Jahr 1937 wurde Schultze, parallel zu seiner Tätigkeit als Jurist, ein offizieller Militärübersetzer für russische Sprache und blieb dies bis 1939. Am 16.03.1939[21] wurde er als Luftwaffenoffizier in das OKW berufen. Am 01.08.1939[22] wurde er zum Hauptmann (Captain) und am 01.10.1940 zum Major befördert.

Im Mai 1940 wurde er Leiter der Abteilung I Luft/OST.[23] Hier beschäftigte er sich mit den russischen Luftstreitkräften. Abgesehen von einer zehntägigen[24] Reise nach Polen im Zuge der Polnischen Kampagne, wo er als Übersetzer für die 8. und 10. Armee und der Ukrainischen „Armee Gruppe Nord“[25] bei Besprechungen mit den Russen fungierte, war er, bis auf eine weitere Reise im Juli 1940 nach Paris, ununterbrochen bis zum Ende 1940 in Berlin am Tirpitzufer tätig.[26] Im Dezember 1940 verließ er die Abwehr und ging in den Konsulatsdienst.[27] Anfang 1941 musste Schulze wegen Zahnproblemen in Berlin ins Krankenhaus.[28] Nachdem er genesen war, wurde er am 01.02.1941 als Konsulatssekretär ins Auswärtige Amt berufen. Er erhielt ein zweimonatiges Training[29] in Konsulatsangelegenheiten. Am 01.05.1941 fuhr er in Berlin ab und kam am 19.05.1941 in Täbris an.[30] Auch der weitere Werdegang Schulzes ist in den Akten detailliert erhalten.[31]

Die hier dargestellten Lebensdaten belegen, dass „Hauptmann Werner Schulz“ nicht Leiter des Referats Abwehr I Luft/Ost gewesen ist. Diese Position hatte tatsächlich Dr. Julius Berthold Schultze (Schulze) inne. Dieser war infolgedessen auch zeitweise der Führungsoffizier Ivar Lissners in der Abwehr. Es wäre daher zu prüfen, ob es sich bei der Namensähnlichkeit der Protagonisten um ein Versehen Heinz Höhnes bei der Rekonstruktion der Ereignisse handelt. Die Quellen zeigen jedoch eindeutig, dass der besagte Dr. Julius Berthold Schultze kein „Schulfreund“ Ivar Lissners gewesen sein kann, wie Heinz Höhne behauptet. Dr. Schultze wurde am 31.10.1894 geboren, Ivar Lissner am 23.04.1909. Dr. Schultze besuchte Schulen in Wetzlar und Leipzig, Ivar Lissner ausschließlich Schulen in Berlin. Es ist auf Grundlage der vorliegenden Quellen auch auszuschließen, dass beide Personen Studienfreunde bzw. Kommilitonen waren, da Dr. Schulze Universitäten in Freiburg, Marburg und Leipzig zwischen 1914 und 1920 besuchte. Ivar Lissner studierte jedoch in Greifswald, Berlin, Göttingen, Erlangen, Lyon und an der Sorbonne in Paris und machte erst im Jahr 1929 sein Abitur.

Der tatsächliche Führungsoffizier Lissners war nie in Shanghai ...

Es wäre somit weiterhin zu prüfen, ob dennoch Dr. Julius Berthold Schultze im Jahr 1940 Ivar Lissner in Shanghai treffen konnte. Heinz Höhne kann dieses Rekrutierungstreffen genau datierten (05.06.1940) und mit einem wörtlichen Zitat untermauern. Auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen kann diese Möglichkeit eindeutig verneint werden. Dr. Schultze war in den Jahren 1939/1940 mit nur zwei Unterbrechungen („first“ and „second interlude“) ausschließlich in Berlin tätig. Eine vollständige Auflistung seiner Reisen in den Jahren 1939 und 1940 sind in den Befragungsakten erhalten. Die erste Auslandsreise fand im September/Oktober 1939 (Polen) und die zweite im Juli 1940 (Paris) statt, von der er am 24.07.1940 nach Berlin zurückkehrte. Heinz Höhne gibt jedoch an, „Werner Schulz“ sei am 05.06.1940 in Shanghai gewesen und sei des Weiteren Ende Juni 1940 nach Harbin gereist, um sich mit Lissner auszusprechen. Dies ist auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen nicht möglich. Dr. Julius Bertram Schultze war im Juni 1940 weder in Shanghai noch in Harbin. Des Weiteren war Dr. Schultze bereits im Juni 1940 Abteilungsleiter der Abwehr I Luft/Ost und kann somit nicht deren Leitung gemäß Heinz Höhnes Darstellung erst „nach seiner Rückkehr“ übernommen haben. Unrichtig bzw. ungenau ist auch Höhnes Darstellung Dr. Julius Berthold Schultze (lt. Höhne „Werner Schulz“) sei im Herbst 1941 nach Vorderasien entsandt worden. Die Versetzung Dr. Schultzes nach Vorderasien (Täbris) erfolgte etwa fünf Monate früher. Schultze reiste bereits am 01.05.1941 in Berlin ab und kam am 19.05.1941 in Täbris an.

Zusammenfassend lässt sich somit sagen: Dr. Julius Berthold Schultze kann weder ein Schulfreund oder Studienfreund/Kommilitone Ivar Lissners gewesen sein, noch war er jemals im besagten Zeitraum in Shanghai. Er, nicht der von Höhne behauptete Hauptmann Werner Schulz, war jedoch seit Mai 1940 bis zum Dezember 1940 als Leiter der Abteilung I Luft/OST für Lissner zuständig. Auch Höhnes Hinweis „Werner Schulz“ sei „im Herbst 1941“ nach Vorderasien entsandt worden, lässt darauf schließen, dass es sich bei „Werner Schulz“ tatsächlich um Dr. Julius Berthold Schultze handeln müsste. Hierfür sprechen auch Höhnes detaillierte Einlassungen „Werner Schulz“ hätte „[…] seinen Kameraden vom I Luft/West, den späteren Oberst Friedrich Busch […]“[32] gebeten die Führung Lissners mit zu übernehmen.

Der Schlüssel zu Heinz Höhnes im Kontext der Originalquellen recht verwirrender Darstellung findet sich jedoch bei der weiteren Analyse seiner Einlassungen.

„Werner Schulz“, so erfährt der Leser in Heinz Höhnes Nachwort, sei mit der Gründung einer „KO China“ beauftragt gewesen. Diese Behauptung steht jedoch im eindeutigen Widerspruch zu den biographischen Details von Dr. Julius Berthold Schultze, der laut den vorliegenden Unterlagen zu keinem Zeitpunkt mit einer solchen Aufgabe betraut bzw. im besagten Zeitraum jemals in Shanghai war. Das Studium der die Begründung der KO-China betreffenden Akten führt jedoch zu einem überraschenden Ergebnis:

Tatsächlich hat ein „Werner Schulz“, der mit der Gründung einer KO-China befasst war, auch hier nie existiert. Es gibt allerdings auch in diesem Fall erstaunliche Ähnlichkeiten zu den biografischen Details einer weiteren realen Person. Hierbei handelt es sich um den Korvettenkapitän Gideon Richard Werner Schüler, der unter dem Decknamen „Schulz“ mit der Gründung einer KO China betraut war.

... und war auch nie mit der Gründung einer KO-China betraut.

Gideon Richard Werner Schüler wurde am 29.06.1894 in Erfurt geboren.[33] Von 1901-1913 besuchte er in Hildesheim die Vorschule und das humanistische Gymnasium Andreanum. Im Januar 1913 machte er sein Abitur und trat am 01.04.1913 in die deutsche Marine ein. Im November 1919 schied er aus der deutschen Marine aus. Im Jahr 1920 folgten Anstellungen in der Privatwirtschaft (Fa. Alberti, Goslar (Farbenhersteller) als Auszubildender und Fa. Persische Teppich GmbH (PETAG) als Privatsekretär). Die Position als Privatsekretär hatte Schüler drei Jahre inne. Im Jahr 1923 wurde er Assistant Manager der PETAG-Niederlassung in Täbris (Iran). Im Frühling 1925 stieg er zum Manager der neu gegründeten Niederlassung der PETAG in Sultanabad (Arak) auf. Im Frühling 1927 reiste er nach Deutschland. Im September 1927 kehrte er nach Arak zurück. Im April 1930 war er wieder in Deutschland und wurde dort Business Manager und später Managing Director in verschiedenen Konzernen Gotthard Sachsenbergs. Im Oktober 1934 Reise nach England. Er empfiehlt Sachsenberg die Eröffnung eines Londoner Büros. Im Sommer 1935 erfolgte eine zweite Englandreise, diesmal für den Reichsverband der Deutschen Luftfahrtindustrie. Frühling 1936: Differenzen mit Sachsenberg führen zur Eröffnung eines eigenen Import und Export Geschäfts. Sommer 1936 Wiederbelebung alter Geschäftsverbindungen aus der PETAG-Zeit (Emil Gloye, Teheran) und Entstehung Firmenkooperation. Herbst 1936 / Herbst 1937 zweimaliger Besuch Schülers in Teheran für jeweils etwa drei Monate. 25.08.1939 erste Zusammenarbeit mit OKW Amt Ausland Abwehr I M. Wurde zunächst als Kapitänleutnant der Reserve dem Personalamt des OKW (Leiter Kapitän z. S. Fliess) zugeteilt. Hier verblieb Schüler einige Wochen und konnte seine Geschäfte abwickeln bis er im Oktober 1939 zur Abteilung Abwehr I M (Tirpitzufer 80-86, Berlin) versetzt wurde. Der Leiter der Abteilung war Fregattenkapitän Menzel, Schülers früherer Trainingsoffizier auf dem Schulschiff „Herth“. Er erhielt ein Abwehrtraining und durchlief verschiedene Abteilungen der Abwehr I M. Von März bis Mai 1940 arbeitete Schüler in der Registratur (I M) und kümmerte sich um ein- und ausgehenden Briefverkehr. Im Juni 1940 wurde Schüler von I M freigestellt um für den RDLI (Reichsverband der Deutschen Luftfahrtindustrie) Exportmöglichkeiten für deutsche Flugzeige in japanisches Territorium zu eruieren. I M erlaubte Schüler eine Reise nach China und Japan unter der Bedingung, dass er zusätzlich die Chancen untersuchen sollte einen „shipping int service“ in China aufzubauen. Bei Erfolg sollte mehrere Agenten (Siefken, Remicke) nach Shanghai geschickt werden.[34] Die Reise begann am 20. Juni 1940 und erfolgte mit der Transibirischen Eisenbahn. Auf seiner Fahrt nach China reiste er über Harbin.[35] Dort traf er Fütterer, den Geschäftsführer der Firma „Tchourin & Co“. Nach Angaben Schülers stellte ihm dieser „Eugen Lissner“ vor, einen Autor der in Tokio lebte und mit Genehmigung der Japaner durch China reiste, wo er Material für seine Bücher sammelte. Lissner sei Autor des Buches „Rund um den Pazifik“. Nach seiner Rückkehr nach Berlin habe er gehört, dass Lissner von den Japanern wegen Spionage gegen Japan inhaftiert worden sei. Er erfuhr anschließend, dass Lissner ein Agent der Abteilung I L gewesen sei, der von Major Schulze (Abwehr I L Berlin) gesteuert wurde. Lissners Aufgabe sei es gewesen, über amerikanische Luftunterstützung in China zu berichten. Mehr wisse er nicht. Nachdem er die Lage in Shanghai eruiert hatte, sandte er nach Siefken und Remicke, die im September 1940 eintrafen. Im August 1940 war Schüler in Tokyo, wo er Diskussionen mit Admiral Wenneker führte.[36] Im September 1940 machte Schüler einen Kurztrip nach Tientsin und Tsing-Tao.[37] Am 09.11.1940 war Schüler zurück in Berlin. Am 01.01.1941 wurde Schüler Referatsleiter der Abteilung I M/OS welche er von Korvettenkapitän Wichmann übernahm. Auch der weitere Werdegang Gideon Richard Werner Schülers ist in den Akten detailliert erhalten.[38]

Der angebliche Schulfreund "Werner Schulz" kannte nicht einmal Lissners richtigen Vornamen ...

Die vorliegenden Quellen zeigen eindeutig, dass auch Korvettenkapitän Gideon Richard Werner Schüler kein Schulfreund Lissners gewesen sein kann. Schüler wurde am 29.06.1894 in Erfurt geboren. Von 1901–1913 besuchte er in Hildesheim die Vorschule und das humanistische Gymnasium Andreanum. Im Januar 1913 machte er sein Abitur und trat am 1.04.1913 in die deutsche Marine ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Familie Lissner noch nicht einmal in Deutschland ansässig (erst 1920). Außerdem war Ivar Lissner ausschließlich auf Schulen in Berlin und nie in Hildesheim. Kommilitonen können beide Personen auch nicht gewesen sein, da Schüler nicht auf der Universität war.

Es wäre daher weiterhin zu prüfen, ob dennoch Gideon Richard Werner Schüler Ivar Lissner am 05. Juni 1940 in Shanghai rekrutieren konnte. Heinz Höhne schreibt:

„Da tauchte am 5. Juni 1940 in Shanghai ein Retter auf: Hauptmann Schulz, Lissners Schulfreund. Er war von der Abwehr-Zentrale mit dem Auftrag entsandt worden, im Fernen Osten ein Informantennetz (im Sprachgebrauch der Abwehr KO oder Kriegsorganisation genannt) anzulegen.“[39]

„Bei der Suche nach Agenten, V-Männern und Kurieren stieß Schulz auch auf Lissner. Der aber wußte noch immer nicht, ob er sich der Abwehr vollends verschreiben sollte. Zunächst bot er Schulz nur an, er wolle sich zum Wehrdienst melden. Schulz schrieb nicht ohne Ungeduld zurück: »Hast du nichts anderes zu tun?« Ende Juni reiste er nach Harbin und sprach sich mit Lissner aus. Die beiden Männer wurden sich einig: Lissner sollte unter dem Decknamen »Ivar« in den Dienst der Abwehr treten und Nachrichten über Sowjet-Fernost, vor allem über die sowjetische Luftrüstung, beschaffen. Deshalb wurde er auch dem Ostreferat der Luftwaffengruppe des Geheimen Meldedienstes (Abwehr I Luft/Ost) unterstellt, dessen Leitung Schulz nach seiner Rückkehr selber übernahm.“[40]

Die vorliegenden Quellen zeigen, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen werden kann. Von März bis Mai 1940 arbeitete Schüler in der Registratur (I M) und kümmerte sich um ein- und ausgehenden Briefverkehr. Erst am 20. Juni 1940 begann seine Reise nach Japan und China.[41] Gideon Richard Werner Schüler alias „Werner Schulz“ kann somit nicht am 05.06.1940 in Shanghai gewesen sein. Dass das in den Akten angegebene Reisedatum (20.06.1940) zutreffend ist, zeigt die Auswertung weiterer Dokumente. Nur zwei Tage nach der Abreise Gideon Richard Werner Schülers, am 22.06.1940, flog der Abwehrmitarbeiter Heinrich Stiege zusammen mit dem Luftattaché der Botschaft Tokio, Wolfgang von Gronau, nach Moskau.[42] [43] Dort trafen sie mit Gideon Richard Werner Schüler zusammen und reisten gemeinsam mit der transsibirischen Eisenbahn weiter.[44] [45]

... und war auch nie sein Führungsoffizier.

Noch frappierender als das Höhne angeblich bekannte Datum eines Treffens von „Werner Schulz“ mit Ivar Lissner in Shanghai, sind Schülers eigene Einlassungen zur Person Ivar Lissners: Der angebliche Lissner-Intimus „Werner Schulz“ kennt nicht einmal dessen richtigen Vornamen. Er bezeichnet diesen als „Eugen Lissner“. Lissner sei Autor des Buches „Rund um den Pazifik“. Auch dies ist falsch. Der scheinbar gemeinte Buchtitel lautet tatsächlich „Menschen und Mächte am Pazifik“. Erst sehr viel später erfuhr Schüler (so sagt er es in seinem Verhör aus), dass Lissner Agent der Abteilung I L gewesen sei und von Major Schulze (siehe Dr. Julius Berthold Schultze) gesteuert wurde. Lissners Aufgabe sei es gewesen, über amerikanische Luftunterstützung in China zu berichten. Tatsächlich berichtete Lissner aber über Russland. Eine Rekrutierung Lissners durch Gideon Richard Werner Schüler kann somit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine fiktive Konstruktion Heinz Höhnes ...

Die vorliegende Quellenlage lässt somit nur einen Schluss zu: Bei der von Heinz Höhne als Beleg für die Nichtmitgliedschaft Ivar Lissners in der Abwehr bis Mitte 1940 angeführten Figur des Hauptmanns „Werner Schulz“ handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine fiktive Konstruktion. Diese dient Heinz Höhne dazu, Ivar Lissner die im Rahmen seiner Abwehrtätigkeit erfolgte Berichterstattung für „Angriff“ und „VB“ als NS-Gläubigkeit und NS-Fanatismus zu unterstellen. Hierzu hat Heinz Höhne scheinbar – so zeigen die angeführten Quellen – auf Basis von historischen Biografien einen angeblichen Schulfreund „Werner Schulz“ erschaffen und um dessen Existenz glaubwürdig erscheinen zu lassen, anscheinend frei erfundene Zitate („Schulz schrieb nicht ohne Ungeduld zurück: »Hast du nichts anderes zu tun?«“[46]) und angebliches Detailwissen (Datum eines Treffens: „5. Juni 1940 in Shanghai“[47]) einfließen lassen. Bei dieser Konstruktion Höhnes geht es neben der Diskreditierung Ivar Lissners als NS-gläubiger Fanatiker jedoch noch um einen anderen, ganz wesentlichen Punkt in Lissners Biografie. Beim Ausscheiden von Dr. Julius Berthold Schultze aus der Abwehr im Dezember 1940 erhält nicht sein Nachfolger die Aufgabe, Lissners Führungsoffizier zu werden, sondern der ressortfremde Major Friedrich Busch, Abwehr I Luft West (England, Amerika). Dieser war – wie die ihn betreffenden Unterlagen deutlich zeigen – antinationalsozialistisch eingestellt und auf Lissners Arbeitsgebiet nicht kompetent. Dem eigentlichen Nachfolger Dr. Schultzes, Curt Geissler, wurden nicht nur „gründliche Kenntnisse der fremden Luftwaffe der Oststaaten“[48] bescheinigt, sondern auch die Beherrschung der russischen Sprache.[49] Er verfügte zudem über „langjährige, praktische Erfahrungen auf dem Sondergebiet des geheimen militärischen Meldedienstes“[50], da er bereits seit April 1937 für die Abwehr tätig war.[51] Friedrich Busch hingegen war ein absoluter Neuling. Tatsächlich begann er mit seiner Tätigkeit für die Abwehr erst im Juni 1940, wo er zunächst als Hilfsreferent im Referat England tätig war.[52] Russisch sprach er nicht und Kenntnisse über Russland besaß er auch keine.[53] Jedoch war er Mitglied der linksliberalen DDP gewesen. Sein Schwiegervater Victor Braune war ein leitender Sozialdemokrat in Dresden. Die Unterlagen zeigen, dass Friedrich Busch mehrere Sozialdemokraten vor dem Konzentrationslager rettete und deutschen politischen Flüchtlingen in Schweden half.[54] Zudem verdeutlichen die amerikanischen Befragungsakten, dass Busch häufig seine Augen vor der Tatsache verschloss, dass einige seiner Agenten auch für die Alliierten tätig waren.[55] Diese Details werden jedoch von Höhne nicht gewürdigt. Die für die Abwehr völlig unübliche Übergabe der Lissner-Führung an den resortfremden Führungsoffizier Friedrich Busch erklärt er mit der engen Freundschaft zwischen Ivar Lissner und seinem „Schulfreund Werner Schulz“. Es handelt sich laut Höhne somit um eine Art „persönlichen Gefallen“ unter Freunden.

Friedrich Busch: Ein "aufrichtiger anti-Nazi" der mehrere Sozialdemokraten vor dem Konzentrationslager rettete ...

Höhne schreibt:

„Als Lissner-Freund Schulz im Herbst 1941 nach Vorderasien entsandt und ein strammer Nationalsozialist sein Nachfolger im Referat I Luft/Ost wurde, bat er seinen Kameraden vom I Luft/West, den späteren Oberst Friedrich Busch, die Führung Lissners mit zu übernehmen; Schulz befürchtete, der NS-Nachfolger könne den »Halbjuden« Lissner nicht richtig behandeln. Von nun an unterstand V-Mann Ivar dem an sich ressortfremden Busch.“[56]

Da der tatsächlich mit der Führung Lissners zeitweise beauftrage Dr. Julius Berthold Schultze, wie die vorliegenden Quellen eindeutig zeigen, kein Schulfreund o. ä. Lissners gewesen sein kann, ist diese völlig unübliche Vorgehensweise in der Abwehr mit einem „Freundschaftsdienst“ nicht zu erklären. Wie verwirrend dieses Konstrukt auch für andere Mitarbeiter der Abwehr war, zeigt die Aussage von Gideon Richard Werner Schüler, der Lissners Tätigkeit in seiner Erinnerung fälschlicherweise dem Resort Busch’s (England, Amerika) zuordnet. Lissners Aufgabe sei es gewesen, über „amerikanische Luftunterstützung in China“ zu berichten. Warum also diese Einlassungen Höhnes zur Übergabe der Führung Lissners an Major Friedrich Busch? Ein Verdacht liegt nahe: Wollte Heinz Höhne diese wahrscheinlich vom NS-Widerstand in der Abwehr organisierte Maßnahme, für den Ivar Lissner nach eigenen Angaben tätig war, verschleiern?

Unangenehme Fragen eines Historikers, die von Heinz Höhne "beantwortet" werden ...

Dass das Konstrukt des „Werner Schulz“ einer kritischen Überprüfung nicht standhalten würde, muss Heinz Höhne spätestens am 04.09.1978 klargeworden sein. Der jüdische Historiker Dr. Miron Rezun war bei Recherchen für sein Buch „The Soviet Union and Iran“ auf das Nachwort Höhnes zu den Lissner Memoiren gestoßen. Im „Hauptman Werner Schulz“ glaubte er den sowjetischen Agenten Walter Schultz (Svetlov) zu erkennen. Konfrontiert mit Rezun’s These stritt Höhne jedoch vehement ab, dass es sich bei Svetlov und Werner Schulz um ein und dieselbe Person handelte. Miron Rezun blieb jedoch bei seiner Auffassung. Belege für seine im Nachwort genannten detaillierten Kenntnisse über „Werner Schulz“ scheint Höhne somit schuldig geblieben zu sein.[57] Höhnes Reaktion auf Rezuns vermeintliche „Entdeckungen“ sind jedoch überliefert. Hatte Höhne noch in seinem Nachwort zu den Lissner Memoiren für die „Werner Schulz-Story“ gar keine Quelle angegeben und in seiner Canaris-Biographie diesbezüglich wiederum nur auf sein eigenes Nachwort als Quelle verwiesen, so änderte sich dies nun. In seinem 1985 erschienenen Buch. „Der Krieg im Dunkeln“ erweckt Höhne den Eindruck, die Quelle für „Werner Schulz“ sei der britische Historiker John W. M. Chapman mit seinem unveröffentlichten Manuskript „The Case of Dr. Ivar Lissner“ gewesen.[58] [59] Tatsächlich lag Heinz Höhne bereits beim Erstellen des Nachwortes zu den Lissner Memoiren ein solches Manuskript vor. Gleiches gilt heute für den Verfasser dieser Zeilen. John W. M. Chapman hat tatsächlich intensive Forschung zu Lissner betrieben. Diese ist auch – wie eine Überprüfung ergab – als seriös und wissenschaftlich einzustufen. Es mag insofern nur noch wenig verwundern, dass John W. M. Chapman mitnichten solche Ausführungen wie Heinz Höhne zu einem angeblichen „Werner Schulz“ gemacht hat. Ein „Werner Schulz“, irgendein sonstiger Schulfreund o. ä. tauchen im ganzen Manuskript nicht auf.[60] Stattdessen formulierte Chapman auf Basis der ihm damals scheinbar unvollständig vorliegenden Quellen:

“Precise information is not available on the time and manner of Lissner’s recruitment into the Intelligence Branch of the German Armed Forces (Amt Abwehr, Oberkommando der Wehrmacht). He may have supplied military information on his capacity as a journalist on Soviet-Japanese fighting in 1938 and 1939 to German intelligence indirectly, as did Major Weise, the official German news agency (DNB) representative, and Richard Sorge, the crypto-Communist reporter of the Frankfurter Zeitung. However, there is no evidence to suggest that Lissner was a paid agent before the autumn of 1940.”[61]

Werfen wir nun abschließend – im Wissen, dass ein „Schulfreund Werner Schulz“ nie existiert hat, einen Blick auf das, was Höhne Ivar Lissner durch sein Konstrukt unterstellt. Zum besseren Verständnis sei noch einmal angemerkt, dass Heinz Höhne ohne jegliche Belege behauptete, Ivar Lissner habe bis zur Verhaftung seines Vaters durch die Gestapo im Jahr 1937 nichts von seiner jüdischen Herkunft gewusst.

Heinz Höhne schreibt u. a. zur Reaktion Lissners auf die Verhaftung seines Vaters:

„Auch Ivar Lissner war zur Anpassung bereit. Mochte auch der Einbruch der Gestapo in seine Privatsphäre den naiven Glauben an das Regime lädiert, ihn zum erstenmal skeptisch gemacht haben - nach außen ließ sich Lissner nichts anmerken. Eine seltsame Wandlung bahnte sich in ihm an; er spaltete sich, so stellt es sich der Psychiater Hans Bürger-Prinz vor, »in zwei in sich selbst durchaus abgeschlossene und funktionierende, defektiöse Hälften«: in den Gefährdeten und in den Mitläufer des NS-Regimes.“[62]

Trotz der Verhaftung Robert Lissners Anfang 1937 will Höhne Ivar Lissners politische Einstellung wie folgt interpretiert wissen:

„Trotz des Schocks der Ariernachweis-Affäre hatte sich Lissner ein Stück Hitler-treuer Gläubigkeit erhalten, blieb ihm die Überzeugung, immer noch in der besten aller denkbaren deutschen Welten zu leben – man löscht nicht über Nacht aus, woran man jahrelang geglaubt hat. Das Phänomen ist aus der Geschichte der stalinistischen Säuberungsprozesse bekannt: Selbst Folter und die sichere Aussicht auf den Genickschuß brachten viele Opfer der Tyrannei nicht von der Illusion ab, letztendlich habe die Partei doch recht, geschehe alles zum höheren Wohl der politischen Idee, der sie alle anhangen. Kann nicht auch Lissner, der treue Parteigenosse von 1933, solchen Illusionen anheimgefallen sein? Denn nur so ließe sich das Rätsel erklären, daß der Mann, der sich bitterster Existenzbedrohung konfrontiert sah, Spalte um Spalte das Regime feierte.“[63]

Heinz Höhne kennt auch Lissners Motive genau:

„Da gab es keine »Errungenschaft« der nationalsozialistischen Herrschaft, keine außenpolitische Überraschungsaktion Hitlers, die nicht in dem »Angriff«-Mitarbeiter Lissner einen vertrauensvollen Lobsänger fand.“[64]

Die Abwehr als Schutz für Ivar Lissners Familie? Nicht nach Heinz Höhne! An festen Vereinbarungen mit seinem „Schulfreund Schulz“ habe Lissner kein Interesse gehabt:

„Lissner war denn auch interessiert, dennoch scheint es damals nicht zu einer festen Vereinbarung zwischen ihm und der Abwehr gekommen zu sein. Er hatte einen anderen Auftraggeber gefunden: Er ließ sich vom »Völkischen Beobachter« (VB), dem Hauptsprachrohr der Partei und des Regimes, als Korrespondent anstellen.“[65]

Für den „Völkischen Beobachter“ zu schreiben? Laut Heinz Höhne keine Tarnung einer Abwehrtätigkeit! Er weiß genau, dass dieser Posten für Lissner ein Traumjob war:

„Lissner hatte denn auch keine Bedenken, die Offerte des VB anzunehmen, zumal ihm die Redaktion eine Art Superposten in Aussicht stellte. […] Und niemand schien dazu geeigneter als Ivar Lissner, der Freund des japanischen Militärs, der Anhänger der Berlin-Tokio-Achse. Das war genau der Posten, den sich der Globetrotter Lissner erträumt hatte. […] Immer konnten dabei Japans Militärs sicher sein, daß Lissner ihren Ausdehnungsdrang wohlwollend interpretieren würde. […] Kamen Zweifel am japanischen Sieg auf, so war Lissner zur Stelle, sie abzuweisen.“[66]

"Certainly I had no reason to think Lissner himself was in any way pro-Nazi."

Kommen wir zurück zur Realität. Ivar Lissner war nie ein überzeugter NS-Anhänger, der nichts von seiner jüdischen Herkunft wusste. War aber die zur Tarnung ausgeübte Tätigkeit als Korrespondent nicht vielleicht doch ein Traumjob, sympathisierte Ivar Lissner nicht vielleicht doch ein wenig mit dem, was er oder die Zeitungsredakteure in Berlin unter seinem Namen schrieben? Ein Zufall kommt hier zur Hilfe. Es gibt einen Zeitzeugen, der über Lissners Gesinnung Auskunft geben kann. Dieser traf ihn Mitte 1938, als Lissner, getarnt als Korrespondent des „Angriff“, die Mandschurei bereiste. Bedingt durch die Umstände seiner Aussage ist dieser Zeuge über jeden Zweifel der Parteilichkeit erhaben. Es handelt sich um den Journalisten und im Jahr 1938 als Korrespondenten der Associated Press (AP) tätigen James D. White. In der nachfolgend ausschnittsweise wiedergegebenen Korrespondenz diskutiert dieser mit Harold Weisberg, einem jüdischen Publizisten und ehemaligen Mitarbeiter des Office of Strategic Services (OSS) im zweiten Weltkrieg.[67] [68] Zum besseren Verständnis sei auf Folgendes hingewiesen: Die nachfolgenden Einschätzungen von James D. White zur Person Ivar Lissners sind gerade deshalb als absolut glaubwürdig einzustufen, da dieser Ivar Lissner mit dem namensähnlichen Journalisten der New York Times, Will Lissner, verwechselt. Es kann somit ausgeschlossen werden, dass es sich bei seiner Einschätzung um eine irgendwie geartete parteiliche oder aus Gefälligkeit gemachte Aussage handelt. Dass es sich bei der in der Korrespondenz als „Will Lissner“ bezeichneten Person – soweit es die Schilderungen während und kurz nach der Kriegszeit angeht – in Wirklichkeit um Ivar Lissner handelt, ist eindeutig feststellbar:

Schreiben James D. White an Harold Weisberg, 12.12.1972

“ […]There's one extremely interesting other one, Will Lissner. I am virtually certain this is the same Will Lissner whom I met in Manchuria in 1938 while covering a little-known Russo-Japanese war along the Siberian, Manchurian and North Korean border confluence that lasted three weeks before it was settled by negotiation in Moscow. Lissner, then a very young man, was acting as a correspondent for Der Angriff, which was Dr. Goebbels own newspaper. However he did not behave or talk like a Nazi and in fact I was inclined to guess that he either was Jewish or part Jewish.[[69] [70]] (This was not uncommon; there was an extremely able Frankfurter Zeitung correspondent in China for several years, Guenther Stein, who was part Jewish). Lissner was exceptionally able in English for a German, so much so that he easily could have been educated at least partly in an English-speaking country. I never fully figured him out, and never saw him again. However in 1949 when back in Shanghai I ran into a Dr. Lissner [[71]] who was with UNRRA and who appeared to resemble Will. I asked him about Will, and he said he was a brother. However I did not pursue the matter further except to ask if Will had come through the war okay, and he said he had.”

Wir halten also fest: Ivar Lissner, den James D. White in der Mandschurei traf und der für den „Angriff“ schrieb, benahm sich nicht wie ein Nazi und sprach nicht wie ein Nazi. Stattdessen durchschaut James D. White die Situation perfekt. Er erkennt sofort, dass es sich bei Ivar Lissner um einen Juden handelt.

Verfolgen wir nun den weiteren Diskussionsverlauf:

Schreiben Harold Weisberg an James D. White, 27.12.1972:

“ […] On Lissner, at the risk of seeming to intend libel, which I do not, I remind you that the Nazis had ways of getting Jews to do their bidding, and outside of Germany I think I've told you of the Schering guy. Dr. Julius Weltzien. Those dedicated Nazi correspondents were sometimes less than that dedicated, like Sorge (which I think means worry). It is hard to generalize, hard to eliminate, and there is no intended inference of L's being a real Nazi. His not seeming to be could be genuine as it could be part of a cover. Look at some of current partiots and super-patriots. Some of those named might have been asked to ask a few questions where they were when the questions were to be asked and no more, but I wouldn't think that required crediting. Some might have had specialized experience, as takers and victims, like Sylvia, or with those who had, or might have had special relationships with those interviewed and quoted in the story. Belair is, I believe, in DC; Waldron in Texas. If this is the same Lissner and he was a Der Angriff correspondent in 1938, even a young one, would he not be at retirement age? Would a son be a possibility? or nephew? […]”

Harold Weisberg setzt sich in seiner Antwort an James D. White kritisch mit dessen Aussagen zu „Will Lissner“ [Ivar Lissner] auseinander. James D. Whites Antwort darauf ist aber eindeutig und klar: „Natürlich hatte ich keinen Grund anzunehmen, dass Lissner selbst in irgendeiner Weise pro-nationalsozialistisch eingestellt war.“ Er konkretisiert seinen damaligen Eindruck: „Ja, ich nahm zu dem Zeitpunkt an, das etwas wie das [Zwangsmaßnahmen der Nazis um Juden gefügig zu machen] eventuell vorging, möglicherweise Druck auf reiche Verwandte und so weiter.“

"... that the Nazis had ways of making Jews work for them."

Schreiben James D. White an Harold Weisberg, 02.01.1973:

"[…] Re Will Lissner of the NYTimes, I'd guess he was about 25 in 1938, very young for a foreign correspondent. That would make him about 60 now, so the NYTimes man could, of course, be a son or younger relative. You made an earlier reference to him, pointing out that the Nazis had ways of making Jews work for them. Yes, I assumed at the time that something like that was possibly going on, perhaps pressure on rich relatives and so on. [N]o way of knowing. Certainly I had no reason to think Lissner himself was in any way pro-Nazi. […]”

Es ist bemerkenswert wie zutreffend James D. White die damalige Situation Ivar Lissners analysierte!

An dieser Stelle sei nochmals an Heinz Höhnes „Version“ der Geschichte erinnert:

„Trotz des Schocks der Ariernachweis-Affäre hatte sich Lissner ein Stück Hitler-treuer Gläubigkeit erhalten, blieb ihm die Überzeugung, immer noch in der besten aller denkbaren deutschen Welten zu leben – man löscht nicht über Nacht aus, woran man jahrelang geglaubt hat.“[72]

Was mag Heinz Höhne zu einer solchen Vorgehensweise veranlasst haben? Dies muss die Geschichtsforschung der kommenden Jahre klären! Bereits in seinem „Spiegel“-Artikel von 1970, zum Erscheinen der ersten Auflage der Lissner Memoiren, hatte er sich zum einen mit berechtigt wirkender Kritik, gleichzeitig aber auch mit inkludierter Legendenbildung zum Lissner-Kritiker aufgeschwungen.[73]

So erfuhr der Leser, wie ungerecht Lissner den Botschafter des Deutschen Reichs in Japan, Eugen Ott, in seinen Erinnerungen beurteilt habe. Heinz Höhne:

„Dabei wird auch seinem Gönner Ott die Funktion eines Bösewichts zugewiesen: Ott habe ihn praktisch gezwungen, Tokio zu verlassen. In Wirklichkeit hatte Ott Ende Dezember vom Auswärtigen Amt die Order erhalten, den Propaganda-Attaché Lissner von der Gehaltsliste zu streichen. Doch Ott wollte seinen Ratgeber nicht verlieren. Er schlug daher am 4. Januar 1940 in einem Telegramm vor, Lissner inoffiziell weiterhin zu beschäftigen. Das AA war einverstanden. Mitte Januar 1940 schickte Ott seinen bedrängten Ratgeber zunächst einmal auf eine Studienfahrt in die Mandschurei.“[74]

In Höhnes Nachwort zu den Lissner-Memoiren wird aus Botschafter Ott sogar der „antinationalsozialistische“ und „ängstliche“ Botschafter Ott. Höhne:

„Der ängstliche Botschafter Ott, wegen seiner antinationalsozialistischen Vergangenheit um nimmermüde Anpassung bemüht, mochte den Geächteten [Lissner] nicht länger unterstützen. Da tauchte am 5. Juni 1940 in Shanghai ein Retter auf: Hauptmann Schulz, Lissners Schulfreund.“[75]

Botschafter Ott: Laut Höhne ein "Gönner" Lissners, ...

Die Version des „Gönners“ Lissners [Höhne] Eugen Ott lautet folgendermaßen:

„I[v]ar Lissner ist zur Zeit Herausgeber der Zeitschrift „Kristall“ in Hamburg. Nach Angabe des „Spiegel“-Mitarbeiters Wiehe gegenüber Ott, eine Hauptquelle für den Sorge-Fall. Lissner ist in Japan als Fernostmitarbeiter des Völkischen Beobachters aufgetreten. Botschafter Ott erhielt 1939 (?) Weisung des Auswärtigen Amts, ihm die Kündigung seitens des V.B. mitzuteilen, da der Vater wegen Falscheides (Verschweigen seiner jüdischen Rasse) verhaftet worden sei. Die Mitteilung der Kündigung müsse unter Berücksichtigung der Gefahr erfolgen, daß Lissner seine vertraulichen Kenntnisse über deutsche Angelegenheiten der Feindseite übermiteln könnte. Da diese Gefahr bei Entzug der Existenzmittel besonders bedrohlich erschien, gab Ott ihm den Privatauftrag zur Nachrichtenbeschaffung in der Mandschurei. Diese Nachrichten nahmen allmählich nach gutem Anfang den Charakter reiner Erfindung an, sodaß auch der Auftrag gekündigt werden musste. Es gelang Lissner dann, Agent der Abwehr zu werden, wobei er in Harbin demonstrativ als Mitglied der NSDAP aufgetreten ist. Auch er soll nach der Amtszeit Ott von der jap. Polizei verhaftet worden sein und dies auf Betreiben Otts zurück[f]ühren.“[76]

Diese „Ungerechtigkeit“ Lissners mag tatsächlich bestürzen, allerdings nur so lange man nicht in die Originalquellen Einsicht nimmt:

„Die Botschaft Tokio hatte Lissner, der in seiner Propagandaarbeit besonders befähigt war, ohne Kenntnis, daß Lissner Nichtarier ist, in den Propagandadienst der Botschaft genommen. Da die Abmachung zwischen der Deutschen Botschaft Tokio und Lissner am 1. Januar 1940 abliefen, bat die Botschaft um Drahtweisung, ob gegen eine Vertragsverlängerung Bedenken bestehen. Sie vertrat die Ansicht, dass eine weitere Verwendung Lissners, der über sonstige Einnahmen damals nicht verfügte, das einzige Mittel sei, ihn vom überschwenken ins feindliche Lager abzuhalten. Der Botschaft wurde daraufhin unter Mitzeichnung von Chef [A].O. drahtlich mitgeteilt, daß die Verlängerung des Dienstverhältnisses zwischen Lissner und der Botschaft mit kürzester Kündigungsfrist bedenkenlos sei, da der Fall hier baldigst aufgeklärt werde. Über die weitere Tätigkeit von Lissner hat die Botschaft unter dem 23. Mai 1940 nachstehenden Bericht übersandt: „ Aufgrund der dortigen Drahtanweisung Nr. 677 vom 25. Dezember v. Jrs. ist das Dienstverhältnis Lissners zur Botschaft kurzfristig verlängert worden. Lissner trat Anfang Januar auf meine Veranlassung eine Informationsreise nach der Mandschurei an. Er hat die Botschaft von dort laufend mit Artikeln beliefert, die in der japanischen Presse gut untergebracht werden konnten. Für seine Arbeiten erhielt Lissner monatlich 1.000 Yen und zwar letztmalig im April. Lissner befindet sich zur Zeit in Shanghai und hat, wie ich höre, die Absicht, Mittelchina zu bereisen. Ich habe der Botschaft in Shanghai auf Anfrage vertraulich mitgeteilt, daß der „Völkische Beobachter“ sein Vertragsverhältnis mit Lissner wegen Zweifel an dessen arischer Abstammung gelöst habe, dass das Auswärtige Amt mich aber ermächtigt habe, aus Zweckmässigkeitsgründen Lissner in der Propagandaarbeit kurzfristig zu beschäftigen. Den Herr Landesgruppenleiter der NSDAP habe ich über die Behandlung der Angelegenheit Lissner laufend unterrichtet.“[77]

... der ihn tatsächlich aber wegen seiner jüdischen Herkunft ausbürgern lassen wollte ...

Von einem „Gönner“ Ott kann insofern überhaupt nicht die Rede sein! Nicht das Auswärtige Amt sah die Gefahr, „daß Lissner seine vertraulichen Kenntnisse über deutsche Angelegenheiten der Feindseite übermitteln könnte“, sondern Botschafter Ott selbst war Urheber dieser Behauptung. Er ist somit derjenige, der zum ersten Mal im Falle Lissner ein Überlaufen bzw. eine Tätigkeit für die Alliierten ins Spiel brachte![78] Des Weiteren informierte Ott die „Botschaft in Shanghai“ und den Landesgruppenleiter der NSDAP über die nichtarische Herkunft Lissners und legte damit mit den Grundstein für die spätere Verfolgung Lissners in der Mandschurei. Der Landesgruppenleiter der NSDAP wurde von Botschafter Ott sogar laufend über die weitere Bearbeitung des Falles informiert. Zu diesem Zeitpunkt war einer der ärgsten Widersacher Lissners, der als „Schlächter von Warschau“ bekanntgewordene Polizeiataché Josef Meisinger, noch nicht in Tokio stationiert. Scheinbar auf Otts Idee aufbauend und von Harbiner Diplomaten und Parteigrößen in dieser Hinsicht unterstützt, kolportierte Meisinger dann die Vorwürfe der angeblichen Sowjetspionage Lissners.

 ... und diplomatische Vertretungen sowie Parteigrößen über Lissners "nichtarische" Herkunft informierte.

Tatsächlich war das Verhältnis zwischen Botschafter Ott und Lissner nach Bekanntwerden seiner nichtarischen Herkunft vergiftet. Ivar Lissners Beschreibung Otts in seinen Memoiren, die bereits Höhnes Kritik findet, ist im Vergleich zur Realität durchaus schmeichelhaft. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Lissner in seinen gesamten Erinnerungen mit keinem Satz seine eigene jüdische Herkunft erwähnt. Insofern konnte er auch nicht auf die wahren Hintergründe seiner Verfolgung hinweisen. Er berichtet:

„»Ich hege keinen persönlichen Groll gegen Sie«, sagte der Botschafter herablassend, »aber wir würden Sie lieber nicht mehr in Tokio sehen.“[79]

Und weiter:

„Mit Geschick und Umsicht sorgten Botschafter Ott und die gesamte Besatzung der Botschaft dafür, ihre Schäfchen in Japan »keimfrei« zu halten, insbesondere der Emissär von Goebbels, Herr Delatrobe, der aufgeblasene Vertreter des Reichspropagandaministeriums. Sie alle sorgten dafür, daß die Leute, die »in Ungnade« waren, von den Deutschen gepiesackt und von den Japanern gemieden wurden. Delatrobe, ein Hansdampf in allen Gassen und Gerüchtefabrikant, war von Goebbels nach Tokio geschickt worden, um zwischen sein Ministerium und den Nichtskönner eine möglichst große Anzahl von Kilometern zu legen. Jedem, der es hören wollte, riet dieser Mensch dringend, sich von mir fernzuhalten. Er hatte ja die Bekanntmachung der Reichspressekammer, worin mir jede Art Veröffentlichung verboten wurde, nicht nur gelesen, sondern auch schwarz auf weiß in der Tasche. Ferner hatte er seine Verbindungen zur Gestapo und betrachtete es als seine Pflicht, die Informationen, die er von seinem Ministerium erhalten hatte, weiterzuverbreiten. Unentwegt schlug er Alarm, so daß ich mit der Zeit zum Hauptziel aller möglichen Sticheleien und Querelen wurde. An allen Ecken und Enden bereitete man mein »Staatsbegräbnis« vor, und so war die Atmosphäre für mich, mild ausgedrückt, überaus unerquicklich geworden.“[80]

Neben der Verbreitung der Informationen über die jüdischen Herkunft Lissners, griff Botschafter Ott noch zu viel schärferen Mitteln. Tatsächlich hatte er sogar versucht Ivar Lissner ausbürgern zu lassen. Der 1943 zusammen mit Ivar Lissner verhaftete Werner Crome schreibt dazu:

„Seit Botschafter Ott ihn [Ivar Lissner] aufgrund des gefälschten „Arier“-Nachweises hatte ausbürgern wollen, bestand zwischen den beiden Persönlichkeiten Gegensätzlichkeit und offener Haß.”[81]

Es besteht kein Zweifel, dass letztendlich Botschafter Eugen Ott zusammen mit seinem späteren Verbündeten Josef Meisinger, der in seiner Amtszeit in Warschau fürchterliche Gräueltaten verübte, die Hauptverantwortung für die Verhaftung einer Vielzahl von Regimegegnern in Japan und der Mandschurei tragen. Auch Meisingers Einwirkung auf japanische Ministerien in der „Judenfrage“, die letztendlich zur Errichtung des Ghettos in Shanghai führen sollte, fällt in die Amtszeit Botschafter Otts. Selbst sein Nachfolger als Botschafter in Japan, Heinrich Georg Stahmer, ein NS-Karrierist aus dem Büro Ribbentrops, wurde wegen seiner jüdischen Ehefrau Opfer verbaler Anfeindungen Otts.[82]


Quellenverzeichnis

[1] Das Ivar Lissner bereits vor Juni 1940, dem angeblichen Rekrutierungstermin durch „Hauptmann Werner Schulz“ für die Abwehr tätig war, steht aufgrund einer Vielzahl von Quellen zweifelsfrei fest. So z. B. Telegramm Nr. 348 vom 19.08.1942, Hsinking an AA, (Paginiernummer 270186–270188), GFM 33/417/763, TNA, Kew, „Ich [Gesandter Wilhelm Wagner] bemerke dazu: Zu 1.) F. [Fütterer] der seit Jahren in enger Fühlung mit den Militärattaché Botschaft Tokio steht und den ich günstig beurteile, hat L. [Lissner] vor etwa drei Jahren in Harbin „gestartet.“ Dies zeigt, dass Ivar Lissner seit etwa Mitte 1939 in Harbin stationiert war. Siehe auch RSK-Karte Ivar Lissner: Am 14.09.1939 lebt Lissner im Jamato-Hotel in Harbin. Telegramm Nr. 517 vom 11.12.1942, Hsinking an AA, (Paginiernummer 270234–270236), GFM 33/417/763, TNA, Kew, „Hierbei gestatte mir Hinweis, […] dass meine [Ivar Lissners] aktive Tätigkeit schon vor Kriegsausbruch einsetzte […]“; Telegramm Nr. 240 vom 18.6.1943, GFM 33/417/763, TNA, Kew, Hsinking an AA, (Paginiernummer 270296–270301), „L. [Lissner] hat mich [Gesandter Wilhelm Wagner] Dezember 1938 bis 1940 als Berichterstatter für Angriff und VB bei Durchreise viermal aufgesucht, insbesondere Herbst 1939, um mir geheime Informationstelegramme an Botschafter Ott zur Übermittlung zu übergeben.“

[2] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 239.

[3] Siehe Vergleich 1. und 2. Auflage der Lissner Memoiren (Ullstein Verlag, 1970 und Droemer Knaur, 1975 mit Nachwort von Heinz Höhne). Es wurden z. B. folgende Passagen gestrichen: 1. Auflage 1970, S. 183: „»Sind Sie Mitglied der Reichspressekammer?« Als ob er das nicht gewußt hätte! »Nein«, antwortete ich.“; S. 196 „Dies kam natürlich überhaupt nicht in Frage, da ich nicht Mitglied der Reichspressekammer war und auch nicht die Absicht hatte, ihr beizutreten.“ Bereits am 16.01.1966 stellte Ivar Lissner in einem Brief an den Historiker Prof. F. W. Deakin klar: „In order to be an accredited correspondent one had to be a member of the Reichspressekammer.” (Archiv Lissner) Dieser Brief lag auch Heinz Höhne vor, nachdem dieser ihn am 05.11.1973 in einem Schreiben an Frau Niehaus-Lissner angefordert hatte (Archiv Lissner). Er selbst zitiert in seinem Nachwort auf S. 271 aus dem besagten Schreiben. Das Zitat ist allerdings in entstellender Form aus dem Zusammenhang gerissen und wird von Heinz Höhne als Beleg angeführt, Ivar Lissner habe wahrheitswidrig jegliche Pressetätigkeit für den „VB“ bestritten. Dies war aber nicht der Fall. Er bestritt lediglich eine Mitgliedschaft in der Reichspressekammer, die Voraussetzung, um tatsächlich [Anm. d. Verfass.: und nicht nur zur Tarnung einer Agententätigkeit] als Korrespondent tätig gewesen zu sein. Höhne: „Nicht ohne Erregung argumentierte er [Ivar Lissner] gegen die Entdeckungen der Historiker an, verzweifelt, fast wie ein Ertrinkender. »Stellen Sie sich vor«, schrieb er am 16. Januar 1966 an Deakin, »wie verletzend Ihre Beschreibung meiner angeblichen Beziehungen zum VB sein muß ... Ich war niemals akkreditierter Korrespondent irgendeiner deutschen Zeitung während der Nazizeit, und ich bin nicht bereit, einen derart falschen Eindruck bei britischen oder nichtbritischen Lesern aufkommen zu lassen.« Wer will da einem Mann, der seine Lebenslegende in Gefahr sah, das Mitgefühl versagen, wer die Kaltblütigkeit aufbringen, mit Punkt und Komma nachzuweisen, daß alles so anders gewesen war?“ Was Höhne jedoch verschwieg war folgendes: Zu seiner Tätigkeit für den „VB“ hatte Lissner gegenüber Deakin in Wirklichkeit ausgeführt: „Imagine how injuring will be your discriptions of my alleged connections with the VB. One gets the impression that for years I was working for those gangsters, whereas I pretended to work for them during a period of 33 days.“ Tatsächlich fallen alle von Heinz Höhne in seinem Nachwort zitierten Ausgaben des VB exakt in dieses Zeitfenster!

[4] Ivar Lissner, Vergessen aber nicht vergeben, Ullstein, 1970, S. 226.

[5] So z. B. in Deutsche Presse, 27. Jahrgang, Nr. 7, Berlin, 13. Februar 1937, „Erneute Warnung vor Schmidt-Lamberg; […] Es werden daher alle Berufskameraden noch einmal eindringlich darauf aufmerksam gemacht, daß Schmidt-Lamberg nicht in die Berufsliste der Schriftleiter beim RDP eingetragen ist und daß auch sonst seinen Einsendungen gegenüber Ablehnung geboten ist.“

[6] Für Löschungen aufgrund nicht-arischer Herkunft (§ 5 (3) Schriftleitergesetz) siehe z. B. Deutsche Presse, 30. Jahrgang, Nr. 9, Berlin, 27. April 1940 und Deutsche Presse, 30. Jahrgang, Nr. 16, Berlin, 3. August 1940: hier jeweils Beispiele im Landesverband Ostmark.

[7] RSK-Karte Ivar Lissner, BA, ehem. BDC.

[8] § 11 des Schriftleitergesetzes von 1933 lautet: „Der Leiter des Landesverbandes hat die Löschung einer Eintragung in die Berufsliste zu verfügen, wenn die im § 5 Nr. 1, 2 oder 5 bestimmten Voraussetzungen wegfallen oder sich die Unrichtigkeit der Angaben über die unter Nr. 1 bis 6 bestimmten Voraussetzungen ergibt oder der Schriftleiter seinen Beruf aufgegeben hat.“

[9] RSK-Karte Ivar Lissner, BA, ehem. BDC.

[10] Die diesbezüglichen Paragraphen des Schriftleitergesetzes lauten: § 20 (3) „Der Hauptschriftleiter ist verpflichtet: a) dafür zu sorgen, daß in einer Zeitung nur solche Beiträge aufgenommen werden, die von einem Schriftleiter verfasst oder zur Aufnahme bestimmt sind;“, § 36 „Wer sich als Schriftleiter betätigt, obwohl er nicht in die Berufslisten eingetragen oder obwohl ihm die Berufsausübung vorläufig untersagt ist, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bestraft.“, § 37 „Ein Verleger, der eine nicht in die Berufslisten eingetragene Person oder einen Schriftleiter, dem die Berufsausübung vorläufig untersagt ist, mit den Arbeiten eines Schriftleiters im Hauptberuf betraut oder eine Zeitung unterhält, ohne gemäß § 18 einen Hauptschriftleiter benannt zu haben, wird mit Gefängnis bis zu 3 Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.“, § 42 „Wer sich Schriftleiter nennt, obwohl er nicht in die Berufslisten eingetragen ist, wird mit Geldstrafe bis zu 150. – Reichsmark oder mit Haft bestraft.“, § 43 „Einem Verleger, der nach § 37, nach § 39 oder nach § 40 rechtskräftig verurteilt ist, kann der Gewerbebetrieb durch die nach Landesrecht zuständige Verwaltungsbehörde untersagt werden.“

[11] In der Verordnung über das Inkrafttreten und die Durchführung des Schriftleitergesetzes vom 19. Dezember 1933 wurde in § 26 festgelegt: „Der Leiter des Landesverbandes ist verpflichtet in seinem Bezirk darüber zu wachen, daß niemand unbefugt die Tätigkeit eines Schriftleiters ausübt oder sonst gegen die Strafvorschriften des Gesetzes verstößt.“

[12] § 9 (1) des Schriftleitergesetzes besagt: „Auf Antrag des Leiters des Landesverbandes kann der Leiter des Reichsverbandes der deutschen Presse (§ 23) mit Genehmigung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Ausnahmen von den im § 5 Nr. 1, 3 und 6 bestimmten Voraussetzungen bewilligen.“

[13] RSK-Karte Ivar Lissner, BA, ehem. BDC.

[14] Telegramm Nr. 348 vom 19.08.1942, Hsinking an AA, (Paginiernummer 270186–270188), GFM 33/417/763, TNA, Kew.

[15] Telegramm Nr. 348 vom 19.08.1942, Hsinking an AA, (Paginiernummer 270186–270188), GFM 33/417/763, TNA, Kew.

[16] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 238.

[17] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 242.

[18] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 242.

[19] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 242–243.

[20] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 249.

[21] KV 2/1486, TNA, Kew, PDF 3, S. 17: In anderen Dokumenten wird auch der 17.03.1939 genannt.

[22] KV 2/1486, TNA, Kew, PDF 3, S. 17: In anderen Dokumenten wird als Beförderungsdatum zum Hauptmann auch der 01.10.1939 genannt.

[23] KV 2/1486, TNA, Kew, PDF 3, S. 17; In KV2 1486, PDF 2, S. 73, wird ungenauer formuliert: Er war Leiter der Abteilung Abwehr I Luft/Ost im letzten Jahr seiner Tätigkeit [d.h. im Jahr 1940]

[24] KV 2/1485, TNA, Kew, PDF 1, S. 27: Hier ist von einer ca. 14-tägigen Reise die Rede.

[25] KV 2/1485, TNA, Kew, PDF 1, S. 27.

[26] KV 2/1485, TNA, Kew, PDF 1, S. 27: Die Unterbrechungen der Berliner Tätigkeit von Dr. Julius Berthold Schulze sind in den britischen Befragungsprotokollen vollständig dokumentiert. Es handelt sich um zwei Unterbrechungen: „First interlude“: Polen September/Oktober 1939 und „second interlude“ Juli 1940 (Zweck: Reise zum Justizministerium in Paris um Dokumente zum Plewitska Spionagefall von 1937 zu erhalten. Schultze reiste weiter nach Rennes, wo Frau Plewitska im Frauengefängnis inhaftiert war. Seine Intention war sie nach Berlin zu bringen. Die Überführung fand nicht statt, da Plewitska am 10. Juli 1940 verstarb. Am 24. Juli war Schultze zurück in Berlin und übergab seinem Vorgesetzten die Unterlagen.

[27] KV 2/1485, TNA, Kew, PDF 1, S. 28.

[28] KV 2/1485, TNA, Kew, PDF 1, S. 28: Weißheitszahnbehandlung.

[29] KV 2/1485, TNA, Kew, PDF 1, S. 28: Hier ist von drei Monaten die Rede (01.02.1941-31.04.1941).

[30] KV 2/1485, TNA, Kew, PDF 1, S. 29.

[31] KV 2/1484, KV 2/1485, KV 2/1486, TNA, Kew.

[32] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 249.

[33] KV 2/2659, TNA, Kew, PDF 1, S. 40 ff., Secret Final Report on Gideon Richard Werner Schüler, 28.01.1946.

[34] KV 2/2659, TNA, Kew, PDF 1, S. 57.

[35] KV 2/2659, TNA, Kew, PDF 1, S. 59.

[36] KV 2/2659, TNA, Kew, PDF 1, S. 58.

[37] KV 2/2659, TNA, Kew, PDF 1, S. 58.

[38] KV 2/2659, TNA, Kew.

[39] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 242.

[40] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 242–243.

[41] KV 2/2659, TNA, Kew, PDF 1, S. 57.

[42] KV 2/2466, TNA, Kew, PDF 1, S. 30–31.

[43] Report of Interview – Count Wolfgang von Gronau, 25.06.1946, S. 2, in Tavenner Papers & IMTFE, Official Records, MSS 78-3, Box 3, Folder 2: General Reports and Memoranda from July 1946: Wolfgang von Gronau war aufgrund des Todes seines Vaters Hans von Gronau (06.12.1850-22.02.1940) von Tokio nach Berlin gereist und befand sich nun auf der Rückreise nach Japan.

[44] KV 2/2466, TNA, Kew, PDF 1, S. 31 (Akte Stiege): Schüler begleitete Stiege und von Gronau in der transsibirischen Eisenbahn. Gleichlautende Aussage Schülers in KV 2/2659, TNA, Kew, PDF 1, S. 57: In Moskau traf er Stiege (DEGUSSA). Stiege begleitete Schüler einen Teil des Weges (bis Hsinking), wo Stiege einen seiner Firmenrepräsentanten aufsuchte. Später besuchte Stiege Schüler in Shanghai, wo Stiege einen weiteren Repräsentanten seine Firma aufsuchte. Stiege verlässt Shanghai nach Tokio im August 1940 und reist von dort nach Südamerika.

[45] KV 2/2466, TNA, Kew, PDF 1, S. 41: Anfang Juli 1940 Ankunft Stiege in Harbin, 09.07.1940 Ankunft Stiege Tokio (Post-Dampfer von Korea nach Japan). Hieraus folgt, dass auch Schüler nicht vor Anfang Juli in Shanghai angekommen sein kann.

[46] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 243.

[47] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 242.

[48] Beurteilung zum 15. März 1939, den 25.02.1939, BA Pers 6/4105.

[49] Beurteilung zum 10. Juli 1937, Neukuhren, den 20. Juli 1937, BA Pers 6/4105.

[50] Beurteilung, Berlin, den 1. Februar 1941, BA Pers 6/4105.

[51] Beurteilung, Berlin, den 1. Februar 1941, BA Pers 6/4105, Geissler war bei der Abwehr zunächst als Sachbearbeiter bei der Abwehrstelle Königsberg tätig.

[52] KV 2/529, TNA, Kew, PDF 1, S. 33.

[53] Beurteilung vom 06.09.1938, BA Pers 6/230986.

[54] KV 2/529, TNA, Kew, PDF 1, S. 33, Friedrich Busch wurde 1921 Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). 1926 wurde er Mitglied des Parteikomitees („commitee man of that party“). Des Weiteren übernahm er den Posten des Kreisschatzmeister. Busch sprach auf mehreren politischen Treffen und war auf Wirtschaftsthemen spezialisiert. Sein Schwiegervater war Victor Braune, ein leitender Sozialdemokrat und langjähriges Mitglied der „Dresden municipal assembly“. Durch ihn hatte Busch Kontakte zu sozialdemokratischen Kreisen. Nach Auflösung beider Parteien hielt Busch weiterhin Kontakt zu seinen alten Freunden. Es gibt Belege dafür, dass er mehreren Sozialdemokraten half die Grenze in die Tschechoslowakei zu überqueren und sie so vor dem Konzentrationslager bewahrte. Während seines Aufenthalts in Schweden hielt er Kontakt zu deutschen politischen Flüchtlingen. Es ist nach Angaben der amerikanischen Befrager verifiziert, dass er auch diesen Personen bei verschiedenen Anlässen behilflich war. Aus allen diesen Punkten schlussfolgern die Befragungsspezialisten, dass es sich bei Major Friedrich Busch um einen „aufrichtigen Anti-Nazi“ handelt.

[55] “He [Friedrich Busch] often shut his eyes to the fact that agents working for him were also working for the Allied intelligence services.”, CI-PIR No. 73, CI-FIR/67 Busch, Friedrich Major B 80, NARA, USA.

[56] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 249.

[57] Miron Rezun, The Soviet Union and Iran: Soviet Policy in Iran from the Beginnings of the Pahlavi Dynasty until the Soviet Invasion in 1941, Sijthoff & Noordhoff International Publishers BV, Alphen aan den Rijn, 1981, S. 362.

[58] Heinz Höhne, Canaris Patriot im Zwielicht, C. Bertelsmann Verlag GmbH, München, 1976, S. 471 „Und überall saßen in der Abwehr Freunde und Verwandtem, die wiederum anderen Freunden und Verwandten halfen. Der Abwehrhauptmann Schulz hatte seinen Schulfreund Ivar Lissner in der Abwehr untergebracht, […]“, Quelle: Fußnote 33 auf S. 592: Heinz Höhne der Fall Lissner, in Ivar Lissner „Mein gefährlicher Weg“, S. 242.

[59] Heinz Höhne, Der Krieg im Dunkeln; Macht und Einfluß der deutschen und russischen Geheimdienste, C. Bertelsmann Verlag GmbH, München, 1985: S. 436 „Doch Lissner wusste sich zu helfen. Er hatte einen Freund bei der Abwehr, Hauptman Schulz, der im Sommer 1940 den Fernen Osten bereiste, von Canaris beauftragt, dort eine Nachrichtenorganisation („KO-China“) zu schaffen.“ Der diese Sätze beinhaltende Absatz ist am Ende mit nur einer Fußnote gekennzeichnet. Die Quelle zur Fußnote 144 auf S. 585 lautet: John W. M. Chapman, The Case of Dr. Ivar Lissner in Manchuria, S. 4 ff.

[60] John W. M. Chapman, The Case of Dr. Ivar Lissner in Manchuria, Unveröffentlichtes Manuskript, Archiv Lissner.

[61] John W. M. Chapman, The Case of Dr. Ivar Lissner in Manchuria, Unveröffentlichtes Manuskript, Archiv Lissner.

[62] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 229.

[63] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 230.

[64] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 230.

[65] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 238.

[66] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 239.

[67] Harold Weisberg (08.04.1913 – 21.02.2002) war während des zweiten Weltkriegs Mitarbeiter des Office of Strategic Services (OSS). Er war Mitarbeiter des US-Senats sowie Investigativjournalist. 40 Jahre seines Lebens widmete er der Forschung über das Kennedy- und Martin Luther King-Attentat.

[68] Die zitierte Korrespondenz befindet sich im „Harold Weisberg Archive“ des Hood College und ist online unter http://jfk.hood.edu/index.shtml?home.shtml einsehbar.

[69] Tatsächlich bestätigt auch Ivar Lissner indirekt das Treffen mit James D. White zur Zeit des Tschang-ku-feng-Zwischenfalls „Es befanden sich außer mir noch ein Reuter-Korrespondent und ein Korrespondent der Associated-Press an der Front.“: Ivar Lissner: „Durch unbetretbares Nordasien“ in „Der Angriff“ Nr. 101 vom 27.04.1939, S. 3.

[70] Die Osaka Asahi Shinbun berichtete am 06.08.1938 in ihrer Abendausgabe von einer journalistischen Vierergruppe, die am 04.08.1938 das Kampfgebiet, aus der Hauptstadt Mandschukuos kommend, besucht habe. Lissner war für das „DNB“ einer dieser Journalisten, zu denen auch ein Vertreter der „Allgemeinen Zeitung“ und jeweils ein Vertreter von Reuters und AP gehörten. Hirano, Seisuke (Hg.) (1959): Shinbun shūsei Shōwa hennenshi. Bd. 13. Tōkyō: Shinbun Shūsei Taishō Shōwa Kankōkai, S. 389. Zitiert nach Sprotte, Maik Hendrik „General Genrich Samojlovič Ljuškov in Japan: Ein ausgewählter Aspekt der japanisch-sowjetischen Beziehungen 1938“, S. 242, in Legeland, Marie-Luise „Von Bauern, Beamten und Banditen“, Bier'sche Verlagsanstalt, 2007.

[71] Bei „Dr. Lissner“ handelt es sich um den Bruder Ivar Lissners, Dr. Percy Lissner, der zu diesem Zeitpunkt in Shanghai lebte.

[72] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 230.

[73] Heinz Höhne, Deckname Ivar, in „Der Spiegel“, 14.12.1970.

[74] Heinz Höhne, Deckname Ivar, in „Der Spiegel“, 14.12.1970.

[75] Heinz Höhne, Der Fall Lissner, in Ivar Lissner, Mein gefährlicher Weg. Vergessen aber nicht vergeben, Droemer Knaur, München, 1975, S. 242.

[76] IfZ, Nachlass Eugen Ott, ZS/A-32/8-358.

[77] Aufzeichnung, gez. Dr. Schmidt, Berlin, den 31.03.1942, (Paginiernummer 393530–393532), GFM 33/667/1660, Ribbentrop's Office: Dr Richard Sorge, TNA, Kew.

[78] John W. M. Chapman führt hierzu in seinem unveröffentlichten Manuskript “The Case of Dr. Ivar Lissner in Manchuria“ aus: „The Interview between Lissner and Ambassador Ott became so heated that the latter was constrained to urge Berlin to take a less harsh line by allowing the Embassy to continue to employ Lissner in its propaganda activities in order to exclude the possibility of Lissner going over to the enemy.”

[79] Ivar Lissner, Vergessen aber nicht vergeben, Ullstein, 1970, S. 226–227.

[80] Ivar Lissner, Vergessen aber nicht vergeben, Ullstein, 1970, S. 297.

[81] Manuskript Werner Crome, Archiv Lissner.

[82] Aussage Dr. Eugen Schnell, 16.01.1946, H. Stahmer, 18 January 1946, Tavenner Papers & IMTFE Official Records, Box 1, General Reports and Memoranda from January 1946, University of Virginia Law Library.